von Laura Kaiser

Warum Blühwiesen komplizierter sind, als es scheint und warum sie sich dennoch lohnen

An den Kreuzungen und auf den Grünflächen von Chemnitz sind sie im Sommer nicht zu übersehen: Die Blühwiesen, aus denen weiße Margeriten oder rosa Kosmeen leuchten. Angelegt wurden die meisten ab 2020 durch die Kulturhauptstadt @chemnitz2025. Die Intitiative „Chemnitz blüht auf!“ engagiert sich dafür, dass diese Wiesen nachhaltiger werden. Der Zusammenschluss aus Umweltzentrum, „Chemnitz grünt“, Museum für Naturkunde und dem Saatgutgarten berät alle, die Blühwiesen in der Stadt anlegen oder pflegen wollen – und zwar mit einem nachhaltigen Effekt für Pflanzen und Tiere.

Naturnaher Blühaspekt im Juni 2021 am Annenplatz: Auf dem Bild blühen Magerite (weiß), Färberkamille (gelb), Natternkopf (blau-violett), Malve (rosa), Luzerne (violett), Hornklee (gelb), Johanniskraut (gelb), Schafgarbe (weiß)

Kann ich nicht einfach eine Samenmischung auswerfen und gut?

Nein, denn auf die Mischung kommt es an. Nicht jede Blume ist für alle Insekten interessant. Häufig profitieren nur die Generalisten unter ihnen. Vereinfacht gesagt: Heimische Insekten brauchen heimische Pflanzen. Nach dem Säen sollte man außerdem gießen, denn sonst vertrocknen die Keime. Langfristig würde die Wiese verbuschen – um Wiese zu bleiben, muss sie also gemäht werden. Dabei muss man den Lebenszyklus der Insekten beachten, denn eine Raupe hält sich etwa mehr auf dem Boden auf und wäre beim Mähen in Gefahr. (Zum nachhaltigen Mähen verrät Kalendertürchen 16 mehr.) Mit Aussäen ist es also nicht getan.

Wie werden die Blühwiesen nun nachhaltiger?

Indem wir das Saatgut anpassen, so dass mehr heimische Pflanzen enthalten sind und der Boden nicht immer wieder umgebrochen werden muss. Der Saatgutgarten auf dem Sonnenberg vermehrt Wildpflanzen und ein Teil der Blühwiesen ist bereits mit seinen Sämereien bestückt worden. In einer Mischung stecken bis zu 40 Arten, langfristig dominant zeigen sich vielleicht 10 davon. Wir experimentieren noch damit, welche Mischung mehrjährig artenreiche Wiesen bringt und wie dafür die Pflege idealerweise ausgestaltet wird. Idealerweise sollte etwa nie die ganze Wiese auf einmal gemäht werden, nicht zu kurz und nicht im Hochsommer.

Wo kann man jetzt schon natürliche Wiesen in Chemnitz finden?

Zum Beispiel wird der Stadtpark, insbesondere stadtauswärts ab der Scheffelstraße, wiesenartig bewirtschaftet. Dort dominieren Gräser. Spannend wäre zu sehen, wie eine angepasste Pflege die Artenvielfalt erhöhen kann. Generell sind viele Grünflächen in Chemnitz bereits wiesenartig. Wo viele Veranstaltungen stattfinden, wie im Stadthallenpark oder auf der Küchwaldwiese, braucht es Rasen – denn der ist trittfester. Viel Potential gibt es auf den Flächen zwischen den Wohnhäusern der Wohnungsgenossenschaften und im Privaten: „Allerweltsarten“ wie Hornklee und Wilder Oregano können in jedem Garten wachsen und sind eine Schau für Insekten und dadurch auch für Kinder, denn dort summt und brummt es viel.

Stadtparkwiese Ende Juni (2022): Im Stadtpark werden die Wiesen eher spät gemüht. Daher dominieren Gräser das Bild.

Wie hilft „Chemnitz blüht auf“ dabei?

Wir unterstützen den Saatgutgarten mit Expertise und haben wissenschaftlichen Rat eingeholt, um ideale Blühmischungen zu entwickeln. Außerdem beraten wir Akteure, die Blühwiesen anlegen wollen, z.B. beim Sportplatz im Heckertgebiet und am Nikolaifriedhof. Zusammen mit dem Naturkundemuseum haben wir einen Blühwiesenkoffer entwickelt, mit dem Grundschulen das Thema praktisch erarbeiten können. Leider endet unser Projekt bereits zum Ende des Jahres. Glücklicherweise gibt es mit dem Inuversumm eines neues Beratungsprojekt – siehe unser Kalendertürchen 14.

Gelber Hornklee und Heidenelke (rosa) blühen auf einer kleinen Wiese am Terra-Nova-Campus

Und was bringt das alles?

Jede Blühfläche bildet einen Standort für Insekten, selbst ein Balkonkasten. Wir wissen noch nicht alles darüber wie Insekten wandern, aber Tests zeigen, dass bereits Blühstreifen die Artenvielfalt beeindruckend erhöhen.

Insektenbesuch auf der Wilden Möhre – sie ist bei Käfern und Fliegen besonders beliebt.

In unserer zweiten Ausgabe findet Ihr noch folgende passende Beiträge:

S. 10: Mit einem Zitronenfalter im Kino
Interview mit dem Entomologen Dr. Matthias Nuß

S. 14: Blühwiesen als Insektenfallen?
Eine kritische, aber fundierte Auseinandersetzung zum aktuellen Stand der Blühwiesen in Chemnitz

Kontakt zum Projekt:

Stadt Chemnitz
Umweltzentrum
03714952605
umweltzentrum[at]stadt-chemnitz.de

Weitere Infos:

https://www.chemnitz.de/chemnitz/de/unsere-stadt/gruenes-chemnitz/stadtnatur/naturstadt/index.html
https://chemnitz-gruent.de/chemnitz-blueht-auf