Großprojekt in stadtblau und stadtgrün

von Anna Lanfermann

Tretboote, stolze Bäume am Wasser und Kulturevents auf der Insel machen den Schloßteich zu einem der beliebtesten Erholungsgebiete von uns Chemnitzer:innen. Während rund um den Teich viel in Bewegung ist, bleibt es um seinen Zufluss meistens eher ruhig. Im Westen speist der davor unterirdisch geführte Pleißenbach den Schloßteich, um ebenso unspektakulär parallel zur Müllerstraße verlaufend in die Chemnitz zu münden. Der Pleißenbach ist ein verkannter Held des Chemnitzer Stadtblaus. Ohne Pleißenbach kein Schlossteich. Aber das ist nicht der Grund, aus dem wir dem längsten Zufluss der Chemnitz den vierten Adventssonntag widmen. Der Pleißenbach kann noch mehr.

Auf seinem Weg von der Quelle auf der Langenberger Höhe durchfließt der Pleißenbach Limbach-Oberfrohna und kreuzt dann die Stadtteile Rabenstein, Rottluff und Altendorf. Und eben dort, beim alten Güterbahnhof Altendorf, wollen wir uns den Bach einmal genauer ansehen. Viel zu sehen ist hier allerdings aktuell nicht, vor allem nicht vom Bach. Der Pleißenbach schlängelt sich entlang der alten Bahntrasse. Oder wohl eher: Die alte Bahntrasse wurde entlang des Bachs gebaut und so richtig schlängeln tut sich jener schon lange nicht mehr. Birken besiedeln die um die Jahrtausendwende stillgelegten Schienen und je mehr sie wachsen umso mehr verschwindet der Bach in ihrem Schatten.

So sieht der Pleißenbachgrünzug aktuell im Sommer aus. Schon viel Grün, noch wenig Bach.

Doch mit dem Schattendasein ist nun Schluss. Der Pleißenbachgrünzug am Güterbahnhof Altendorf ist das Stadtblau Planungsprojekt in Hinblick auf die Kulturhauptstadt. Im Rahmen des Projektes „Stadt am Fluss“ möchte die Stadt den Bach umgestalten. Seit 2014 lud das Stadtteilmanagement gemeinsam mit dem Stadtplanungsamt die Anwohner:innen zu Begehungen und Gesprächen ein, beschlossen wurde das Rahmenprojekt bereits 2016, im Sommer diesen Jahres folgte der Startschuss für den Grünzug Pleißenbach.

Hinter dem langen Begriff Pleißenbachgrünzug stehen vier verschiedene Vorhaben: Die Renaturierung des Gewässers, städtebauliche Maßnahmen hin zu einer nutzbaren Freianlage, der Umbau der Bahntrasse zu einem Radweg als verkehrsverbindende Maßnahme sowie mit Brücken im Bereich des Baches die Neuentstehung von Ingenieursbauwerken. Im Bereich von etwa 1.850 Metern Pleißenbachlänge erstreckt sich ein Areal von ca. 10,5 Hektar künftiger Grünzug. Die Maßnahmen sollen zusammengenommen etwa 16,5 Millionen Euro kosten.

Seit 2019 laufen die Fäden für all diese Vorhaben im Grünflächenamt bei Birgit Burkhardt zusammen. Sie berichtet, dass nach den Jahren der Planung nun Bewegung in die Sache kommt. „Aktuell sind drei Teil-Abschnitte in der Vergabe. Im Januar 2023 soll der erste Spatenstich gemacht werden.“ Bis Ende 2024 soll ein nutzbarer Zustand erreicht sein. Also pünktlich zur Kulturhauptstadt. Das gesamte Vorhaben bis zur Beyerstraße inklusive der Umsiedelung einer Firma wird voraussichtlich erst 2026 oder 2027 abgeschlossen sein.

Die historische Karte (Berliner Meilenblätter, 1780-1806) zeigt den Verlauf des Pleißenbaches bei „Altdorf“ (heute: Altendorf). In hellblau wurde der heutige Bachverlauf ergänzt. Zur Orientierung: die Straße am oberen rechten Bildrand ist heute die Leipziger Straße.
(Quelle: https://rapis.sachsen.de/; GeoSN 2022)

Dass der Bachverlauf stark begradigt wurde, lässt sich aus der obigen Karte gut erkennen. Der ursprüngliche Verlauf lässt sich im Stadtgebiet durch die Bebauung freilich nicht wiederherstellen. Deswegen spricht Frau Burkhardt von „naturnahmen Design“. Das bezieht sich nicht nur darauf, dass der Bach wieder mäandern darf. Schon heute leben hier Bachforelle, Äsche und Döbel. Wenn man bedenkt, dass das Gewässer aktuell in einem schlechten Zustand ist, braucht es nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, welche Artenvielfalt sich in einem naturnahen Biotop ansiedeln würde. Auch bei den zu pflanzenden Bäumen wird auf Arten gesetzt, die natürlich an Bachläufen vorkommen. Die Fans des Kulturhauptstadt Flagship Projektes „we parapom“ müssen auf Apfelbäume an diesem Standort verzichten. Vorwiegend Weiden, Erlen und Eschen werden angepflanzt sowie naturnahe Initialpflanzungen in Form von Steckhölzern, Sträuchern, Wildkräutern eingebracht. Die Zukunft wird dabei zeigen, welche Arten sich etablieren. An einer Fläche in Rottluff soll neuer Lebensraum für die am Pleißenbach heimische Gartengrasmücke, einem Singvogel, geschaffen werden. 

Bäume sind leider auch das Reizthema bei der Umgestaltung des Areals. Die oben schon erwähnten Birken sowie Ahorn – sogenannte Pioniergehölze -, die aktuell auf dem Gelände wachsen, sind etwa 15 Jahre alt. Viele müssen für die Umgestaltung gefällt werden und das gefällt wiederum nicht allen. Die kritischen Stimmen sagen, dass es ökologischer wäre, das Gebiet sich selbst zu überlassen. Frau Burkhardt befürwortet die Fällungen damit, dass sie eingriff-ausgleichbilanziert stattfänden. Das heißt nicht, dass für jeden gefällten Baum ein neuer gepflanzt werde: „Ökologischer Wert lässt sich nicht einfach beziffern.“ Durch die Umgestaltung des alten Bahnhofsgeländes zu einer „naturnahen Oase“ sei langfristig mehr gewonnen als dadurch, den Status Quo weiter verwildern zu lassen. Das belegen auch Fachgutachten. Die ersten zwei Jahre werden die neu entstandenen Grünbereiche noch „entwicklungs-gepflegt“ in Obhut der jeweiligen Baufirmen. Danach kann die Natur in weiten Teilen des neuen Grünzuges – fachlich unterstützt vom Grünflächenamt – wieder mehr sich selbst überlassen werden.

So soll der zukünftige Pleißenpark aussehen. (Visualisierung von stationC23 aus Leipzig)

Neben dem landschaftlich geprägten Bereich des Grünzuges soll in dessen Zentrum – im sogenannten Pleißenpark – neben Aufenthalts- und Verweilmöglichkeiten auch eine Spiel- und Freizeitanlage entstehen.  Dafür startet im Januar die nächste Phase der Bürger:innenbeteiligung: In den umliegenden Einrichtungen für Kinder können diese Vorschläge für die Gestaltung des Spielplatzes entwickeln und mitbestimmen. Zusätzlich zum Spielplatz wird es Tischtennisplatten geben. Vom „Parkbalkon“ aus erhalten die Besucher einen Blick auf die Bachlandschaft. In die neue Gestaltung des Parks werden noch vorhandene Relikte der Bahn-Vergangenheit des Ortes, Elemente wie alte Betonschwellen der Bahntrasse einbezogen. Somit wird auch der kulturgeschichtlichen Prägung des Ortes Rechnung getragen. Es wird noch einige Zeit vergehen, bis die Umbaumaßnahmen am Areal des alten Güterbahnhofes in Altendorf ihre ganze Wirkung zeigen. Bis dahin lässt sich darauf wetten, ob das Gebiet dem Schlossteich als Chemnitzer Naherholungsliebling den Rang abläuft und sinnieren, welcher Spitzname sich für den Pleißenbachgrünzug etablieren wird.

Weitere Beiträge zum Pleißenbachgrünzug:

https://www.chemnitz.de/chemnitz/de/aktuell/presse/pressemitteilungen/2022/632.html

https://www.chemnitz.de/chemnitz/de/aktuell/presse/pressemitteilungen/2022/458.html